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Trentino: Wo Hirsche röhren und Kühe Blumen tragen


Es ist dunkel, es ist kalt. Außer dem Knirschen der gefrorenen Erde unter unseren Füssen ist kein Geräusch zu hören. Obwohl es gerade mal Mitte September ist, fällt hier auf knapp 2.000 Metern Höhe die Temperatur schnell unter den Gefrierpunkt, sobald die Sonne hinter den hohen Bergen verschwunden ist. In der Nähe der Berghütte Malga Mare machen wir halt. Unsere zwei Begleiter machen sich an ihren Rucksäcken zu schaffen und bauen nach einigem Herumwühlen Stativ, einen kleinen Monitor und eine Wärmebildkamera auf. „Ihr müsst leise sein“ zischt Giuseppe, als wir unbedarft zu plaudern anfangen. Also schweigen wir in der Eiseskälte. Eigentlich sollte es bei diesen Temperaturen ja kein Problem sein, ein Signal von den Objekten unserer Begierde zu finden: Wir sind auf der Suche nach Rothirschen, die jetzt im Herbst röhrend und etwas benebelt von ihrem Testosteron durch die Wälder stapfen. „Da … ein Röhren! Seht ihr, sie sind ganz nahe.“ Giuseppe richtet seine Kamera auf den Wald. „Schaut, die weissen Punkte, das sind die Hirsche“! Für mich als Laien sieht das eher wie das Fell von Bambi unter einem Mikroskop aus, aber die Geräuschkulisse ist überzeugend.

Guiseppe ist Tierexperte im Nationalpark Stilfserjoch – einem der größten Schutzgebiete der Alpen. Nachdem Bambi sich nicht nähern will, gibt er uns einige Eckdaten zu der Region zwischen den Dolomiten und dem Gardasee: 30 Prozent der Landesfläche unter Naturschutz, 36 Prozent der Fläche von Wald bedeckt, 2.359 verschiedene Pflanzenarten, 125 geschützte Tierarten und pro Einwohner rund 1.000 Bäume, also insgesamt 500 Millionen … und viele Rothirsche!

Wieder durchbricht ein markerschütterndes Röhren die Stille der Nacht. Während der Brunftzeit stoßen die männlichen Rothirsche laute Rufe aus, besonders in der Nacht, im Morgengrauen und bei Sonnenuntergang. Auf diese Weise beginnen stimmliche Wettbewerbe, die von der Intensität und der Häufigkeit der Rufe bestimmt werden. Die Tiere erkennen daran ihre zukünftigen Paarungspartner. „Hirsche geben Alles in der Brunftzeit“ erklärt uns Guiseppe. „Sie stecken ihre ganze Kraft in die Paarung, zwischen den Rivalen kommt es auch zu wilden Kämpfen. Sie vergessen dabei Alles: In dieser Zeit verlieren sie 20-30% an Gewicht.“ Mit knurrendem Magen denken wir an das Vesper, das uns Martina, die Chefin unserer Unterkunft „Alpenrose“, nach unserer Rückkehr versprochen hat. Wir wollen mal nicht so fahrlässig mit unserem Körpergewicht umgehen wie die Hirsche – und treten den Rückzug an. Schließlich sind wir ja in Italien, da darf Essen und Trinken niemals zu kurz kommen!

Martina hat nicht zu viel versprochen. Ihr Mann Tiziano hat in unserer Abwesenheit Ricotta Gnocchis mit Käsekern vorbereitet. Nicht gerade eine leichte Abendmahlzeit, aber wir haben beim Wandern und Frieren bestimmt auch ordentlich Kalorien verbrannt. Das Ganze wird mit einem lokalen Zirbenschnaps leichter verdaulich. Nachts in unseren Zimmern hören wir nichts als das Rauschen des Baches und ab und zu das Röhren der Hirsche.

Am nächsten Morgen empfängt uns Martina vor der Hütte. „Habt ihr die Hirschherde gesehen, die heute bei Sonnenaufgang hinter dem Haus geäst hat?“ will sie von uns noch sehr verschlafend wirkenden Gästen wissen. Betroffen schauen wir auf den Boden. Wir Stadtkinder haben bei der Ruhe der Berge geschlafen wie Murmeltiere und dabei scheinbar alles verpasst.

Diese Ruhe ist allerdings sofort vorbei, als Rino Podetti uns zum Almabtrieb (das nennt sich hier „La Desmalghiada") abholt. Der sportliche Mittfünfziger lässt in seiner Funktionskleidung keine Zweifel daran, wie der heutige Tag verlaufen wird: Sportlich!

Unsere Wanderung führt uns zum Ragaiolo Wasserfall. Eine 100 Meter lange Brücke bietet nicht nur Nervenkitzel, sondern auch die beste Möglichkeit, um das in die Tiefe donnernde Wasser zu bestaunen. Auf einem breiteren Schotterweg geht es weiter zur Malga Stablasolo Alm. Gemütlich strecken wir unsere Beine in die Sonnenstrahlen und betrachten die wundervolle Bergwelt. Ein perfekter Platz zum Ausspannen, wenn da nicht Rino wäre. „Kommt weiter - Ihr wollt doch nicht zu spät zum Almabtrieb kommen, oder?“ Das wollen wir natürlich auf keinen Fall, und so trennen wir uns wehmütig von der perfekten Alpenkulisse und steigen über kleine Pfade ins Val di Rabbi hinab.

Rino hatte Recht, nicht zu trödeln. Schon ist die Straße von Schaulustigen wie uns gesäumt und aus der Ferne können wir bereits die Glocken der herannahenden Tiere hören. Kühe mit bunter Blütenpracht geschmückt, Menschen in farbenfrohen Trachten, Kinder reiten auf Eseln und Ziegen springen munter zwischen den vielen Beinen umher, die ins Tal hinabsteigen. Hier in Rabbi werden die Kühe erst auf einer großen Weide gesammelt und dann nach Besitzern sortiert und in die Winterquartiere gebracht. Seit einigen Jahren feiert die Region dies mit dem „Latte in Festa – das Fest der Milch“.

Insgesamt finden im Trentino dazu 11 Veranstaltungen statt, wobei die Milchprodukte der Trentiner Alpen immer im Mittelpunkt stehen.

Zum Rahmenprogramm gehören abwechslungsreiche Aktivitäten wie Spaziergänge, geführte Wanderungen, Spiele, Workshops für Kinder, Shows und natürlich Verkostungen. An den aufgebauten Hütten kann man die Käse der verschiedenen Almen probieren, gemütliche Bierbänke und Showcooking-Events laden zum Verweilen ein. Eine Almwirtin erklärt uns, dass nur der gelbe Käse tatsächlich Almkäse sei, da er seine Farbe durch die vielen Blumen bekomme. Genüsslich schlemmen wir uns durch die vielen verschiedenen Käsesorten, wobei der aus Rohmilch erstellte Casolèt das traditionelle Produkt dieser Region ist. Sein Name stammt aus dem Lateinischen: „caseolus“, kleiner Käse und in der Tat beträgt sein Durchmesser auch heute noch nur 22cm bei einem Gewicht von knapp 1 kg.

Glücklicherweise hat auch unser Wanderführer Freunde getroffen, mit denen er ein Schwätzchen hält und uns kurz verschnaufen lässt … allerdings nicht all zu lange … „Kommt, wir wollten doch noch eine Mountain Bike Tour am Fluss entlang machen – das müsst ihr sehen, es ist wunderschön!“ Wir rappeln uns auf, denn langweilig wird es im Trentino nie … und glücklicherweise gibt es auch immer etwas zu Essen!

Information:

Der Almabtrieb „La Desmalghiada" im Vale die Rabbi findet dieses Jahr am Wochenende vom 21. und 22. September statt.

Alle Veranstaltungen zum Milchfest-Festival: „Latte in Festa“: https://www.visittrentino.info/de/artikel/essen-und-trinken/milchfest

Allgemeine Termine zum Herbst im Trentino:

Buchen der Hirschwanderung (nur auf italienisch)

Anreise:

Mit dem Zug bis Trient oder Mezzocorona mit dem Zug. Dann bis Malè mit der Elektro-Bahn "Dolomiti Express" (https://www.trentinotrasporti.it/de/)

Essen:

Vom 31. August bis zum 22. September bieten viele Restaurants im Val die Sole Gourmet-Verkostungsabende

Für weitere Informationen: Toursimusverband Val di Sole, Tel: (+39) 0463 901280, info@valdisole.net

​​Unterkunft:

Das Berghotel Chalet Alpenrose liegt auf 1.280m direkt im Nationalpark Stilfserjoch. Doppelzimmer mit Frühstück und Wellnessbereich ab ca. 130€

Chalet Alpenrose Bio Wellness Naturhotel, Via Malgamare, 38024 Cogolo di Pejo, Loc. Masi Guilnova, Tel. +39 0463 754088, www.chaletalpenrose.it

Rezept: Tizianos Ricotta Gnocchi

300g Ricotta

100g Mehl

100g Casolèt Käse

geriebenen Trentino Grana zum Wälzen

Ricotta und Mehl vermischen und zu pflaumengroßen Gnocchi rollen. Den Casolèt in Würfel schneiden und je ein Käsestück in einen Gnocchi drücken. Diese dann in kochendes Wasser geben. Die Gnocchis sind fertig, wenn sie an die Oberfläche kommen. Im Trentino Grana Wälzen und nach Belieben salzen und pfeffern.

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