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Zwei Vegetarier auf der Fleischbank

Petra hatte die Idee, in den Wilden Kaiser zu gehen. „Wir könnten die Fleischbank oder auch das Totenkirchel besteigen.“ Kathrin und ich sind anfangs wenig begeistert „Da hoffen wir doch mal, dass der Name nicht Programm ist …“.

„Ach kommt, wir nehmen uns einen Bergführer, dann kann uns nichts passieren“

überredet uns Petra und hat kurzerhand einen Ortskundigen arrangiert, der das Abenteuer für uns etwas weniger aufregend gestalten soll.


Mathias will mit uns auf die Fleischbank. „Wir klettern über den relativ leichten Nordgrat und können dabei in die Ostwand schauen, in der schon mehrmals Klettergeschichte geschrieben wurde.“ Kathrin und ich – beide Vegetarier – lachen. „Na dann steht das Motto ja schon fest: Zwei Vegetarier auf der Fleischbank“.

„Wie kommt der Berg eigentlich zu so einem gruseligen Namen?“ wollen wir wissen.

„Ihr werdet morgen bei der Besteigung sehen, dass es am Nordgrat relativ viele, grasige Querbänder gibt. Der Sage nach haben früher hier die Bauern glitschige Baumrinden ausgelegt, damit unvorsichtige Gämsen den Berg hinab stürzen. Eines Tages graste hier allerdings auch einmal eine Schafherde und stürzte ab. Seit diesem unfreiwilligen Massenmord hat der Berg den gruseligen Namen weg.“ Mathias lacht, als er unsere entsetzten Gesichter sieht. „Macht Euch keine Sorgen, uns passiert das nicht. Morgen kommt noch Reini, ein zweiter Bergführer, wir gehen dann mit Euch am kurzen Seil und damit seid ihr gut gesichert. Aber jetzt üben wir erst Mal klettern und sichern“.

Vom Parkplatz der Griesneralm dauert der Anstieg bis zum Stripsenjochhaus anderthalb Stunden. Da wir keine ambitionierten Leistungssportler sind, machen wir es uns erst einmal auf der Aussichtsterrasse bei Kaffee und Kuchen gemütlich. Glücklicherweise hat unser Bergführer Zimmer gebucht, da es durch die Abstandsregeln in der Hütte momentan nur begrenzte Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Mein Zimmer ist ein Traum: Das Bett ist in typisch rot-weiss karierter Bettwäsche bezogen, die Wände holzvertäfelt und aus dem Fenster schaue ich auf Berg und Tal. Aber mir bleibt keine Zeit, den Blick zu geniessen: Der Berg ruft!


1. Tag: Klettern und Abseilen üben

Nur 10 Minuten entfernt liegt der Stripsenkopf, ein kleiner Klettergarten und das Ziel für unseren ersten Tag. Kathrin und Petra haben noch keine Klettererfahrung und so zeigt uns Mathias, wie man sich an- und abseilt und was man dabei beachten muss. Erst mal in der Theorie und dann auch in der Praxis. Unsere erste Route heisst „Idefix“. Wir alle drei haben schon mehrere Bergtouren gemacht und stufen uns eigentlich als schwindelfrei ein, aber es ist dann doch noch etwas anderes, nur mit einem dünnen Seil gesichert den Fels hochzuklettern – da hat man doch schon gewaltig Luft unter den Sohlen. „Morgen gibt es eigentlich nur eine 3+ Kletterstelle, der Rest ist steileres Gehgelände“ beruhigt uns Mathias, „Aber es ist schon wichtig, dass ihr euch mit der Höhe vertraut macht, denn morgen steigen wir 1300 Höhenmeter hoch.“ Nach drei Touren fühlen wir uns sicherer und sind trotzdem nervös, was der nächste Tag wohl so an Herausforderungen bringen mag. Als Abschluss steht das Abseilen vom Gipfel des Stripsenkopf auf dem Programm, was an sich schon spannend genug wäre. Um das Ganze mit noch etwas mehr Adrenalin anzureichern, zieht ein Gewitter über den Bergen auf – glücklicherweise ist der Schutz des Stripsenjochhauses nur 10 Minuten entfernt … allerdings rennen wir die letzten fünf Minuten: Sicher ist sicher!

Die Belohnung für diesen kleinen Sprint ist ein grandioser Sonnenuntergang. Die Wolken reissen auf, die Sonne beleuchtet von unten die Wolken in einem tiefen Orange und badet damit Berge und Täler in einem goldenen Licht. Ein gutes Omen für den nächsten Tag!


Klicke auf das erste Bild um die Fotostrecke zu starten:

2. Tag: Der Berg ruft! Auf zur Fleischbank

Das Schlimmste – für mich – ist beim Bergsteigen das frühe Aufstehen. Allerdings war das Gewitter abends ein schlagkräftiger Beweis, dass es sich empfiehlt, früh am Berg zu sein. Sobald ich zum Frühstücken auf die Terrasse komme, ist meine Müdigkeit wie weggeblasen: Aus dem Tal steigt der Nebel auf, die Sonne blitzt hinter dem Gipfel hervor und beleuchtet alles wie in einer Zauberwelt!


Während wir drei aufgeregt an unserem Frühstück knabbern, ist unser zweiter Bergführer Reini bereits aus dem Tal aufgestiegen. Von der Terrasse zeigen uns die beiden den Routen-Verlauf. Jetzt ist es an der Zeit, sich die Fleischbank aus der Nähe zu betrachten. Unser Abenteuer kann beginnen!

Im Schatten der hohen Felswand machen wir uns auf dem Weg zum Einstieg. Petra, Kathrin und mir ist ein bisschen mulmig zumute, denn wir wissen ja nicht ganz genau wie das Abenteuer aussieht, dass uns erwartet. Am Wandfuß ziehen wir unsere Helme und Klettergurte an, und Reini nimmt Kathrin und Petra an das Seil, während Mathias und ich die andere Seilschaft bilden. Der Anfang der Tour verläuft über eine schottrige Platte. Danach kommt eigentlich die einzige anspruchsvolle Kletterstelle, an der man circa fünf Meter einen relativ platten Fels hoch steigt.

„Das ist maximal eine 3+“ beruhigt uns Mathias.

Wir machen alle große Augen, schlucken einmal und dann überwinden wir uns und klettern los. Kathrin ist die erste, die die Schlüsselstelle überwinden muss. Mit viel Luft unter dem Hintern fühlt sich das gleich viel schwieriger an. Aber Reini zieht von oben kräftig und so meisten wir eine nach der anderen die schwerste Stelle. Zum Jubeln ist es aber zu früh. Noch liegen einige Höhenmeter zwischen uns und dem Gipfel.


Auf dem Weg gibt es immer mal wieder kleine Kletterpassagen, aber meistens wird der Hang auf Bändern nach rechts und links gequert. Glücklicherweise hat keiner Baumrinde ausgelegt und so fühlen wir uns einigermaßen sicher. Die Aussicht ins Tal und auf die naheliegenden Wände wird je Höhenmeter immer spektakulärer. Wind und Wasser haben wunderschöne Formen in den Kalkstein geschliffen. Immer wieder sichern Reini und Matthias kürzere Passagen ab, damit sie uns von oben sichern können, aber die meiste Zeit können wir am kurzen Seil gehen. Was ich eigentlich mit das Gruseligste finde: Wenn ich stolpere, habe ich das Gefühl ich reisse den armen Bergführer mit in den Tod. Wenn er stolpert, wird es wohl genauso aussehen, deshalb setze ich meine Füße sehr viel bedächtiger als sonst … sicher ist sicher. Matthias lacht über meine Bedenken und versichert mir, dass er mich halten kann. Dennoch will ich es nicht auf einen Test ankommen lassen.

Der Gipfel ist nur Halbzeit

Nach vier Stunden erreichen wir den Gipfel: der Blick ist wundervoll. Das Stripsenjochhaus, in dem wir übernachtet haben, ist nur noch als winziger Fleck zu erkennen und um uns herum ragen hohe, majestätische Berge in den Himmel. Wir haben es geschafft!

Aber unsere beiden Bergführer sehen das ein bisschen anders.

„Das hier ist nur Halbzeit“ dämpft Reini unsere Freude, „Wir müssen ja auch wieder runter.“

Dafür haben wir ja gestern Abseilen geübt. Während wir den Gipfel von Norden her über den Grat bestiegen haben, seilen wir uns jetzt südwestlich über den Heroldweg in die Steinerne Rinne ab. Immer wieder müssen Reini und Mathias das Seil abziehen und in einen neuen Umlenker einhängen, während wir die Aussicht genießen können. Nachdem wir endlich wieder festen Boden unter unseren Füßen haben, müssen wir noch den langen Abstieg durch die Schotterrinne hinab ins Tal bewältigen. Der Blick ist gigantisch. Vor dieser Kulisse sehen wir aus wie kleine Hobbits, die aus Mordor wieder in die Zivilisation hinunterwandern. Die letzten Meter gehen über den Egger-Klettersteig, der schon für sich alleine eine wunderschöne Tour wäre.

Mathias schlendert glücklich vor uns her: „Ich habe diese Kulisse während der Wochen, in denen wir nicht rausdurften, so vermisst - manchmal frage ich mich, ob die Berge uns wohl auch vermisst haben …“


Information:

❤️-Factor:❤️❤️❤️❤️❤️


Fleischbank Nord Grad (2187 m)

Kletter Schwierigkeit: 3+

Zeit: 7,5h

Auf: 1300 m, Ab: 1400 Höhenmeter

Anforderung: Ausdauer, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit

Ausgangs- und Endpunkt: Kaiserbachtal Parkplatz Griesner Alm (1024 m).


Bergführer:

Unter dem Titel Kaiser hoch sechs bieten die Kitzbüheler Bergführer seit Sommer 2019 in Zusammenarbeit mit der Region Sankt Johann in Tirol sechs Touren an, die die legendären Klettergipfel im Wilden Kaiser auch für bergerfahrene Kletterneulinge möglich machen.

Tel: +43 664 3710740, www.kitzbuehelerbergfuehrer.at 


Anfahrt:

Mit der Bahn nach Kitzbühl, weiter mit dem 4000 Bus nach Griesenau und von dort zu Fuss oder per Ruftaxi weiter zur Griesner Alm – dem Startpunkt der Tour.

Mit dem Auto sind es aus Heidelberg kommend ca 5 Stunden bis zur Griesner Alm.

Einkehr/Übernachtung:

Stripsenjochhaus

Urige Berghütte mit toller Panoramaterasse. 1,5h Aufstieg.

Betten zwischen 23€ im Lager und 30€ im Zimmer. Für Alpenvereinsmitglieder günstiger.

Kaiserbachtal 1a, 6382 Kirchdorf, Tel. +43 664 3559094, https://www.stripsenjoch.at


Griesner Alm

Hütte am Ende der Mautstrasse. Doppelzimmer mit Frühstück 41€, mit Halbpension 58€.

Kaiserbachtal 6, A- 6382 Kirchdorf in Tirol, Tel. +43 - 5352 / 64 4 43, www.griesneralm.at


Kaiser Hoch 6 

Auf den Spuren der Pionieren

Unter dem Titel Kaiser hoch sechs bieten die Kitzbüheler Bergführer seit Sommer 2019 in Zusammenarbeit mit der Region Sankt Johann in Tirol sechs Touren an, die legendären Kletter-Gipfel im Wilden Kaiser auch für bergerfahrene Kletterneulinge möglich zu machen. Die Touren zur Fleischbank Goinger Halt, Totenkirchel, Kopftörlgrat, Predigtstuhl und Lärcheck werden in Begleitung von Bergführer und bei maximal zwei Teilnehmern pro Bergführer absolviert.

Infos: info@kitzbuehelerbergfuehrer.at, Tel: 0043 664 3710740

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