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Die Besteigung des Cotopaxi


​​​In der lokalen Sprache Quichua heisst Cotopaxi der Thron des Mondes. Es ist Vollmond. Am Fusse eines anderen hohen Berges (zumindest für europäische Begriffe) sitzen wir in einem kleinen, von innen vereisten Zelt und feiern Silvester … Natürlich alkoholfrei, denn in grosser Höhe soll man ja bekanntlich keinen Alkohol trinken. Aber feiern oder nicht feiern - als ich nachts aus dem Zelt schaue und der runde Mond über dem schneebedeckten Gipfel des Cotopaxi aufgeht, verstehe ich plötzlich, warum der Berg für die Einheimischen heilig ist: er sieht majestätisch und beeindruckend aus, wie aus dem Bilderbuch! Zwar ist er nach dem Chimborazo nur der zweithöchste Berg Ecuadors, aber durch seine perfekte Kegelform, die durch eine weithin leuchtende Gletscherkappe gekrönt wird, entspricht er unserem Idealbild eines Vulkans.

Der Mond beleuchtet ihn sanft und gibt ihm ein wahrhaft mystisches Aussehen. Unsere Mission ist allerdings nicht, in den Mond zu schauen, sondern den Cotopaxi zu besteigen. Diese Mission hat nicht gerade unter den günstigsten Vorzeichen begonnen: wir verpassen unseren Anschlussflug in Houston und müssen so quasi direkt von 0 auf 4200 Höhenmeter. Gegen Mitternacht erreichen wir völlig übermüdet Quito, immerhin schon auf 2800m. Am nächsten Morgen um 8 Uhr steht unser gutgelaunter, augenscheinlich sehr fitter und motivierter Bergführer Jaime in unserem Hotel auf der Matte. Ihm ist es egal, ob wir müde und schlapp sind, denn er meint der “kleine” Spaziergang zum Pasochoa würde uns nur guttun. Der interessierte Leser sei hiermit aufgeklärt: natürlich können ganz besonders gut trainierte und ausdauernde Leute direkt auf den Gipfel des Cotopaxi laufen. Aber bei einer Höhe von 5897m bietet sich eine entsprechende Akklimatisierung für den normalsterblichen Wanderer auf jeden Fall an. Und so ist unser Plan, uns über drei weitere Gipfel an den Cotopaxi heranzutasten.

Die Blutkörperchen, der Kopf, die Lunge und der Magen sollen ja schliesslich eine Chance haben, sich an die Höhe anzupassen. Nach ca 1,5 Stunden teils sehr holpriger Autofahrt haben wir den Ausgangspunkt für unsere erste Wanderung erreicht: von einem Parkplatz auf 3300m geht es bis auf die Spitze des Pasochoa auf 4200m. Das Wort Spaziergang war eine leichte Untertreibung, aber die frische Luft tut uns tatsächlich gut, und so erreichen wir nach vier Stunden - erschöpft aber glücklich - den Gipfel. Leider kommt auch in diesem Moment das entfernte Wettergrollen bedenklich nahe: Gerade als wir den Abstieg beginnen wollen, entlädt sich direkt über uns ein Gewitter. Jaime blickt auf den ungeschützten Berghang und ruft uns schon im Davonlaufen zu, dass wir jetzt sehr schnell rennen müssen. Na prima! Im Jagdgalopp stolpern wir den Schotterhang hinunter, bis wir endlich in ein kleines Wäldchen kommen und uns nicht mehr wie lebende Blitzableiter fühlen. Schon bis auf die Knochen nass gibt uns der einsetzende Hagel noch den Rest. Aber wir wollten ja Abenteuer! Am nächsten Tag wartet der Hausberg Quitos, der Hauptstadt Ecuadors, auf unsere Besteigung. Der Rucu Pichincha ist 4700m hoch und erhebt sich direkt hinter dem Tal, in das sich die wunderschöne, koloniale Altstadt schmiegt. Eine Seilbahn, die Teleferico, bringt uns zur Bergstation auf knapp 4000m. Von hier hat man eine spektakuläre Aussicht auf Quito und die umliegenden Berge. Der Aufstieg ist, nachdem sich der Körper langsam mit dem reduzierten Sauerstoffgehalt der Luft angefreundet hat, recht entspannt. Berg Nummer zwei ist also auch geschafft! Jetzt geht das Abenteuer richtig los: wir verlassen Quito als Basisstation und machen uns auf den Weg zur “Allee der Vulkane”. Heute führt der gut befahrbare Panamericana-Highway mitten durch diese zwei Reihen mit 52 Vulkanen, sodass sich bei klarer Sicht spektakuläre Bilder bieten. Zum ersten Mal sehen wir das Ziel unserer Reise nicht nur in einem Bildband, sondern mit unseren eigenen Augen: hinter einer Bergkuppe erscheint der Cotopaxi in seiner vollen Pracht. Auf knapp 4000 Metern bauen wir unser Zelt auf und warten auf das neue Jahr und eine neue Wanderung.

Blick vom Illiniza Norte (5216m)

Es steht der Gipfel des Illiniza Norte (5216m) auf dem Programm. Am Morgen bietet sich eine unglaubliche Kulisse: zwischen den Bergen steigt Nebel aus den Tälern auf, die Sonne erweckt die Welt zu neuem Leben. Überall wo sie hinscheint, verändern sich die Farben - von einem kühlen Blau zu einem leuchtenden, warmen Orange. Ich kann kaum vorwärtslaufen, da sich bei jedem gewonnenen Höhenmeter neue Ausblicke auftun. Wir klettern die steile Bergkante zum Nordgipfel hinauf. Die letzten Meter brauche ich auch meine Hände um zur Spitze zu gelangen. Strahlend blauer Himmel, schneeweisse Gletscher, grüne Wiesen, braune und rote Berghänge, grüne Seen – und ich habe vor Anstrengung ein tiefrotes Gesicht: die Farbwelt der Anden kann umwerfend sein! Am nächsten Tag nähern wir uns dem Ziel unserer Reise. Im Cotopaxi Nationalpark erreichen wir auf 4500m den Parkplatz – von hier sind es noch knapp 1400 Höhenmeter bis zum Gipfel. Aber heute müssen wir es nur noch auf 4800m, bis zum Refugio, schaffen. Hier werde ich meine letzte Nacht in den Bergen verbringen. Die Sonne verabschiedet sich mit einem spektakulären Farbenspiel hinter den Bergen, ein Fuchs läuft ein paar Meter von mir entfernt den Berg hinauf und dann flüchte auch ich in die Wärme der Hütte. Die Nacht ist kurz und schlaflos: der gemeinschaftliche Schlafsaal mit quietschenden Stahlbetten und Wanderern mit schweren Bergschuhen und scheinbar grossem Harndrang führen dazu, dass ich kein Auge zumache. Ab 11 Uhr nachts stehen die ersten auf, um sich auf den Weg zum Gipfel zu machen. Jaime und ich wollten eigentlich erst um eins losgehen, aber bei dem Lärm ist an Schlaf nicht zu denken, und so tapsen wir um kurz nach zwölf los. Die erste Stunde geht es über Schotter, bis wir am Gletscherrand unsere Steigeisen anziehen. Leider merke ich erst hier, dass einer meiner Schuhe sich nicht festzurren lässt. Während Jaime lustig zwischen rechts und links abwechselt, kann ich immer nur mit meinem rechten Fuss über meinen linken treten. Das mache ich auch die nächsten Stunden brav, während wir uns langsam die Bergflanke hochschieben. Schneller laufen geht nicht, sonst komme ich ausser Puste, aber so habe ich langsam aber sicher das Gefühl, dass ich erfriere.

Wir lassen immer mehr Leute hinter uns. Viele sitzen völlig fertig im Schnee, andere bewegen sich nur noch im Schneckentempo vorwärts. Um 4:30 Uhr ist mir dann richtig langweilig: es ist dunkel und so kann ich nichts von der Landschaft sehen, Jaime ist nicht in Plauderlaune, mir ist eiskalt und noch dazu mache ich seit drei Stunden immer die gleiche Bewegung – noch knapp 200 Höhenmeter zum Gipfel und noch 1,5 Stunden, bis die Sonne aufgeht. Bei minus 10 Grad weiss ich, dass ich keine Sekunde am Kraterrand auf die Sonne warten kann. Meine Finger sind zu klamm, um auch nur an das Auspacken meiner Kamera zu denken. Also denke ich lieber an meinen Schlafsack: ich will zurück! Kaum habe ich meinen Wunsch ausgesprochen, kommt Jaime doch in Plauderlaune: er erklärt mich für völlig verrückt! Normalerweise geben seine Kunden alles, um den Gipfel zu erreichen. Viele musste er schon halb bewusstlos wieder hinunterschleifen, andere erbrechen sich vor Anstrengung oder schleppen sich mühsam Schritt für Schritt stundenlang nach oben. Ich stehe ganz munter da und will zurück, weil mir langweilig ist - das sprengt sein Verständnis! Noch im Stockdunkeln erreichen wir wieder die Hütte. Nach drei Stunden Schlaf leuchtet der Gipfel in der Sonne. Die Landschaft ist wunderbar, beeindruckend und grossartig! Im warmen Sonnenlicht bin ich überglücklich, dass ich all diese tollen Wanderungen machen konnte. Vor meinem nächsten Gipfelversuch werde ich allerdings besser auf den Namen des Berges achten - “der Thron der Sonne” wäre für mich, als Frostbeule, sicher die passendere Wahl!

Allgemeine Auskünfte:

Visum:

Ist nicht nötig. Reisepass mit mindestens 6 monatiger Gültigkeit genügt.

Anreise:

Von Frankfurt nach Quito mit Delta Airlines, Continental, Lan Chile, Iberia, oder KLM ab ca 1000€. Am besten die Preise unabhängig vergleichen. Zum Beispiel bei www.duesentrieb.com/, oder www.travel-overland.de/

Pauschal:

Wir haben unsere Besteigung bei High Summit gebucht.

Preise je nach Gruppengrösse, Länge der Reise und Saison. Anfragen auf: www.climbing-ecuador.com/de

Der Summit Club ist ein Ableger des Deutschen Alpenvereins und hat sich auf das Bergwandern spezialisiert. Der Cotopaxi wird als Teil einer Ecuador Reise angeboten. www.dav-summit-club.de/

Unterkunft:

In Quito:

Das Café Cultura ist eine superschöne, toll restaurierte Villa zwischen dem neuen und dem alten Stadtteil. Da es auf 2800m nachts schon mal kühl werden kann, sind die bequemen Ledersessel vor dem prasselnden Kaminfeuer ein traumhafter Aufenthaltsort. Alle Zimmer sind individuell mit Fresken und antiken Möbeln gestaltet. Das Doppelzimmer kostet ab 100$ pro Nacht. www.cafecultura.com/

Mitten in der Neustadt liegt das freundliche Casa Helbing. Von hier sind alle Geschäfte und Restaurants gut zu Fuss zu erreichen. Für 35$ bekommt man ein sauberes, helles Doppelzimmer. www.casahelbling.de/

In der Nähe des Cotopaxi Nationalpark:

Die Herberge Cuello de Luna liegt ganz in der Nähe vom Parkeingang. Das Restaurant und auch viele der Zimmer haben Kaminfeuer. Gut, um Touren oder Besteigungen zu buchen. Fragen Sie nach Zimmer 26, dann können Sie schon beim Vorhang öffnen den Cotopaxi sehen! Doppelzimmer ab 44$, Tel: 9700-330

www.cuellodeluna.com/de/

Essen:

In Quito:

Die perfekte Belohnung für jede Bergwanderung gönnt man sich am besten im Café Mosaico. Von der Dachterrasse hat man bei Sonnenuntergang und einem Cocktail den perfekten Blick über Quito und die umliegenden Berge. Geöffnet von 11 Uhr morgens, bis 11 Uhr abends. Hauptgerichte zwischen 9-12$. Samaniego N8-95, Tel: 254-2871

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